
An einem kalten Nachmittag Anfang Dezember folge ich der Einladung zwei meiner Freunde, Ivan und Federico: „Kommst du mit nach Raibl zu den Krampussen?“
Ich kannte die Krampusse nicht, und noch weniger ihre Geschichte. Aber wer hätte diese Lücke besser füllen können als Ivan Ziraldo? Denn gerade in diesen Tagen stellte er sein letztes musikalisches Werk fertig: „The Legend of Krampus“, mit dem er die Geschichte der Krampusse und die von Raibl musikalisch erzählt.
Entlang der gewundenen Straße, die von Chiusaforte zum Neveasattel führte, erzählt mir Ivan schon etwas über die Legende der Krampusse und zur Entstehung des Raibler Sees (Raibl ist der antike Name deutschen Ursprungs für Cave del Predil).
Eine junge Frau kommt nach Raibl und bittet um Hilfe, aber die Ortsbewohner, die nicht merken, dass die Frau ein Neugeborenes mit sich führt, weisen sie misstrauisch ab. Nur zwei ältere Personen bieten ihr an diesem kalten Abend Unterkunft und kümmern sich auch um das Neugeborene. Die Strafe Gottes für das Dorf lässt nicht auf sich warten und eine schreckliche Sintflut löscht das ungastliche Dorf aus. Es retten sich nur die beiden Alten und der kleine Niccolò. Ihr Haus findet sich in der Mitte eines Sees wieder, der sich nach der Sintflut gebildet hatte (so entstand, dieser Legende nach, der Raibler See).
Mit dem Verstreichen der Zeit erwacht Raibl zu neuem Leben. Einige gelangweilte Jugendlichen beginnen praktisch aus Spaß, hinter Ziegenmasken versteckt, die Häuser der umliegenden Orte zu plündern. Nach einer Weile schließt sich ihnen ein Eindringling an. Er trägt aber keine Maske. Er entführt die Kinder und verwandelt sie in dämonische Bestien, die das Dorf terrorisieren. Niccolò stellt sich mit Hilfe Gottes dem Dämon und es gelingt ihm, die in Bestien verwandelten Kinder zu befreien. Er erobert ihr Vertrauen, ist aber nicht in der Lage, sie in Menschen zurückzuverwandeln.
So kommt es, dass die Krampusse alljährlich am ersten Sonntag im Dezember zurückkommen und die Bewohner des Kanaltals und von Raibl erschrecken. Eine Szene traf mich ganz besonders, nämlich das Gebet der Kinder an die Krampusse. Einige verängstigte und weinende Kinder wurden gezwungen, sich vor die Krampusse hinzuknien und zu beten.
Es ist eine Szene, die grausam und extrem anmutet, die aber das Brauchtum treu widerspiegelt, an das sich die Einwohner gerne halten. Federico hat natürlich die Szene unweigerlich in einem seiner Fotos festgehalten.
Während der jährlichen Aufführung, die am ersten Sonntag im Dezember in Raibl in der Gemeinde Tarvis stattfindet, ziehen die Krampusse auf spektakuläre Art und Weise ins Dorf ein. Sie strömen aus dem alten Bergwerk in die Dorfstraßen und peitschen die Einwohner (die Touristen bleiben verschont).
Bei Einbruch der Dunkelheit, beleuchten und „wärmen“ Dutzende Krampusse die Dorfstraßen mit ihren Fackeln. Der Ritus endet mit der Enthauptung des Dämons und dem Sieg von San Niccolò über das Böse. Die Legende der Krampusse hat keltische Ursprünge und wird im Dezember in vielen Bergorten nachgestellt. Große Feuer wärmen den spätherbstlichen, kkalten Abend im Tal bei Tarvis und es beginnen die Feierlichkeiten.
Es ist eine außerordentliche und spektakuläre Erfahrung, die ich gerne wiedererleben will. Dorfbewohner und Touristen teilen ihre Freude über die Befreiung in Erwartung auf das nächste Jahr.
PH: Federico Tonizzo
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