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17 November 2017

Vom Mais zur friulanischen Barbie: Die Kunst des „Scus“

17 November 2017
Esmeralda Perosa

Vom Mais zur friulanischen Barbie: Die Kunst des „Scus“

Sie werden sich sicher fragen, was wohl der Mais mit der berühmten Puppe zu tun hat. Etwas haben sie aber gemein, denn unter den damals üblichen Spielsachen gab es auch „lis Pipinis di Scus“, Puppen aus Maiskolbenblättern.

Davon weiß man was in Reana del Roiale, 10 km nördlich von Udine, wo man sich auf die Kunst des „Scus“ (Maisblattkunst) spezialisiert hat. Hier, in dieser Gegend mit Bewässerungsgräben und Mühlen wurde die Schutzmarke „Scus dal Rojal“ registriert, und ebenfalls hier finden Sie die vom lokalen Fremdenverkehrsamt kuratierte Permanente Ausstellung von Lieschblätter- und Weidenobjekten. Es lohnt sich, die Geschichte dieser so gebiets- und gemeinschaftsverbundenen „Pipinis“, die ein grundlegender Bestandteil der damaligen Hauswirtschaft waren, eingehender zu erforschen. Der Scus – Brattee oder Cartoccio (zu dt.: Hüllblätter, Lieschblätter oder Lieschen) – war ein „Recyclingmaterial“ der Maisernte, denn vom Mais – wie übrigens auch vom Schwein – wird nichts weggeworfen. Nach dem (händischen) Ernten der Maiskolben und ihrem Entblättern blieben viele Hüllblätter zurück, die zum Ausstopfen von Matratzen oder zum Herstellen von Gebrauchsgegenständen wie Taschen (Sportis) und Täschchen, aber auch Schuhen, Tischdeckchen und Hüten verwendet wurden.

Diese mühsame Arbeit wurde vor allem von Frauen getätigt. Vom Schwefeln zum Reinigen und Erweichen der Blätter, über das Färben mit Teerfarben, bis zum gekonnten Flechten der „cuarde“ (Kordeln). Man erzeugte damit auch Spielzeug, eben die „lis Pipinis“, die sich jedoch auch bei Erwachsenen größter Beliebtheit erfreuten. Die Auswanderer nahmen sie als „Souvenir“ ihres Landes mit und verteilten sie dann auf der ganzen Welt.

Mit den Jahren perfektionierte sich das Verfahren und schließlich wurde daraus ein kostbares lokales Kunsthandwerk. In der Zeit seiner maximalen Verbreitung ging man vom Familienbetrieb auf die Genossenschaft „Cooperativa Artigiana Cartocciai Friulani“ mit zugehöriger Berufsschule über, die 1964 von Don Mario Fabrizio gegründet wurde und bis in die 80er-Jahren aktiv blieb. Das Objekt aus „Scus“ war in Mode, und das ging sogar so weit, dass sich die bekanntesten Stilisten darum rissen und seine Qualität und Originalität schätzten. Die Kunst des „Scus“ lebt dank des Engagement des Fremdenverkehrsverbands und einer Gemeinschaft, die die Bedeutung dieser Gebietsressource erkannt hat, in Rojale heute noch weiter, mutig unterstützt von den „Cartocciaie“, den Maisblattflechterinnen.

An der Mailänder Messe, auf der die Maisblattobjekte jedes Jahr präsent sind, wird auch eine sehr alte, etwas abgenutzte Tragetasche ausgestellt. Sie steht nicht zum Verkauf frei, erzählt aber eine Liebesgeschichte zwischen Kaninchen, denn in der Vergangenheit wurde sie verwendet, um das Kaninchenweibchen zu ihren galanten Treffen zu bringen.

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Esmeralda Perosa

Ich bin das, was man einen Slow-Touristen nennt, mit gebuckeltem Rucksack und griffbereiter Landkarte. Ich liebe Kino und alte Filme. Ich sammle Fotos und außergewöhnliche Geschichten von gewöhnlichen Leuten. Friaul ist für mich ein Mix an Flachland, Meer und Gebirge, wo ganz spezielle Orte nicht weit von zu Hause entfernt sind.  

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