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4 April 2018
Michele Castro

Von Triest nach Duino in Richtung Via Francigena: eine Wanderung

Mit dem Frühling kehrt auch der Wunsch zurück, mehr Zeit im Freien zu verbringen. Wandern ist meiner Meinung nach hierfür am besten. Nur so gelingt es mir, den Wert der Zeit abzuschätzen und die Entfernungen zwischen den Gebieten bewerten und respektieren zu können. Ich bin sicher, dass das langsame Gehen dabei hilft, die besten Gedanken hervorzubringen und uns optimistischer macht.  Für Rousseau war es unmöglich, zu denken und Inspirationen zu finden, wenn nicht im Gehen.

Er pflegte zu sagen: „Wenn ich mich zum Schreiben setze, fällt mir nichts ein.“ Dasselbe müssen sich die Urheber der Kinoschule ohne Stühle „Visioni in Movimento“ (Visionen in Bewegung) gedacht haben. Ziel: in 4 Tagen ca. 75 km von Triest bis Aquileia zu Fuß. Schritt um Schritt, stets in Meeresnähe, durch das Naturreservat Isola della Cona und das Städtchen Grado, auf der Suche nach Anregungen und Ideen für einen Kurzfilm über das Wandern. Eine wunderbare Initiative, an der auch ich einen Tag lang teilnahm und die 28 Kilometer der ersten Etappe von Opicina bis Duino zurücklegte, von denen ich Ihnen nun hier erzähle.

Die Regisseure Matteo Oleotto, Alessandro Rossetto, Giulio Kirchmayr, Projektkoordinator, und der Präsident des Verbands Mattador Pietro Caenazzo begleiteten bei diesem Abenteuer die beiden Gewinnerinnen des internationalen Preises Mattador (http://www.premiomattador.it/mattador/), Ludovica Mantovan (zum zweiten Mal in Folge Gewinnerin) und Isabella Aquino. Sie sollen ihre Dokumentarfilme realisieren, in denen sie in wenigen Minuten die Erfahrung von 4 Pilgertagen zusammenfassen. Denn Pilger ist jemand auf der Suche nach etwas, der fernab von zu Hause wandert.

Und beide kommen von weit her. Ludovica aus Venedig und Isabella aus Avellino.  Wir beginnen unsere Wanderung im dichten Nebel. Ja, leider. Es ist Frühling und wie so oft schenkt uns der Monat März Überraschungen. Den Obelisken von Opicina erahne ich mehr als dass ich ihn sehe. Und genau hier, auf der strada Vicentina, auch Napoleonica genannt, beginnt die Wanderung, die bei schönem Wetter atemberaubende Ausblicke auf den Golf von Triest bietet. (http://www.fvglivexperience.it/2017/02/28/triestetrada-napoleonica/)  Aber auch wenn ich das Meer nicht sehe, bin ich ihm so nahe, dass ich es riechen kann. In dieser surrealen Atmosphäre, nähern wir uns Schritt um Schritt der Ortschaft Prosecco.

Ich bilde das Schlusslicht, merke aber, dass ich nicht der letzte bin. Aus dem Nebel sehe ich eine Gestalt auftauchen. Es ist Ludovica. „Alles in Ordnung?“, frage ich. „Ja danke, Michele. Dieser Nebel ist fantastisch! Ich bin stehen geblieben, um Fotos zu machen, denn dieses Klima ist für mich Quelle der Inspiration.“ Selbst der sehr jungen Isabella scheinen die fehlenden Panoramas nichts auszumachen, denn sie erklärt, dass es schön sei, mit diesem „ich sehe—ich sehe nicht“ zu spielen, das uns dieser erste Abschnitt schenkt. Das Wandern, egal ob auf wenigen Kilometern oder mehrere Tage langen Wegen, begünstigt menschliche Beziehungen und oft grüßt und spricht man mit Unbekannten.

Giulio und Matteo glauben stark an diese Art, Schule zu machen. „Beim Gehen gemeinsam arbeiten. Denn das Wandern baut Hierarchien ab und ermöglicht einen offenen und entspannten Vergleich zwischen Lehrpersonal und Schülern. Es wird der Ideen- und Meinungsaustausch gefördert und das ist für uns sehr wichtig.“ Und ich bin ganz ihrer Meinung. Auf dem auch als Salbeiweg bekannten Weg Tiziana Weiss erzählt mir Pietro, dass wir einem alten Pilgerweg folgen, dem via Flavia, der Triest mit anderen italienischen Wegen verbindet, wie die berühmten Wege via Francigena und via Postumia, sowie den Cammino Celeste, der vom Süden bis Norden ganz Friaul durchquert. (http://www.fvglivexperience.it/2017/11/16/cammino-celeste-sportivamente/).

Deshalb ist es wichtig, Aquileia an Triest anzubinden. Erst einmal in Aquileia angelangt, hat der Wanderer die Qual der Wahl. Die Suche nach einem geeigneten Weg war nicht einfach. Aufgrund der geografischen Gebietsmerkmale müssen nämlich zwangsläufig Ortschaften durchquert und bisweilen, wenn auch nur für wenige Meter, einige stark befahrene Straßen begangen werden. „Es gibt noch keine Karte, aber bald wird es eine geben.“, sagt Pietro.  Der Weg ist praktisch eben und überhaupt nicht schwierig. Die einzige gefühlte Anstrengung ist das Gewicht meines Rucksackes. Mittlerweile hat sich der Nebel gelichtet und endlich kann ich das spektakuläre Panorama bewundern, das diese Wege bieten.

Umgeben von einer vielfältigen Vegetation (vom karstigen Pflanzenwuchs im oberen Bereich bis zum mediterranen in Meeresnähe), erzählt mir Giulio, dass auf diesen Gebieten vor vielen Jahrhunderten Wein angebaut wurde. Die römischen Feinschmecker, die etwas von Wein verstanden, erzeugten schon vor über 2 Jahrtausenden exzellenten Wein. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts führte der Bedarf von Arbeitskräften im Hafen von Triest dazu, dass die Bewohner des Gebiets den Weinbau vernachlässigten, was dazu führte, dass mit der Zeit die derzeitige Vegetation Überhand nahm. Aber auch heute noch fehlt es hier in der Gegend nicht an gutem Wein, ein Beispiel hierfür ist der Terrano. (http://www.fvglivexperience.it/2018/03/14/teranum-vini-rossi-del-carso-degustare-terrano-trieste/). Und, ganz so wie ich schon den tschechischen Dichter Rainer Maria Rilke beim Wandern auf seinem Weg, den wir bald erreichen, „sah“ (http://www.fvglivexperience.it/2017/08/29/sentiero-rilke-trieste/), kann ich hier nicht umhin, an die antiken Römer zu denken. Ich stelle sie mir vor, wie sie denselben Weg beschreiten wie wir in diesem Augenblick, nur sehe ich Körbe mit erlesenen Trauben anstelle der Rucksäcke. Ob mir der Hunger diese Streiche spielt? Kann sein.

Jedenfalls konnten wir uns keinen schöneren Platz vorstellen, um unser mitgenommenes Mittagessen zu verzehren und den Rucksack zu erleichtern als hier am Anfang des Rilke-Weges, in der Nähe des Fremdenverkehrsbüros von Sistiana. Von hier hat man einen herrlichen Ausblick auf den Golf von Triest, von einer Seite der Adria zur anderen, von der Bucht unter uns bis zur kroatischen Küste. Eine wahre Augenweide.

Eine Art, nicht nur den Magen zu laben, sondern auch den Geist. Am Ende des Weges durchqueren wir die Ortsmitte von Duino und schlagen einen anderen einfachen Weg ein, der zum Villaggio del Pescatore und zum Quellgebiet des Timavo führt. Sollten Sie in diese Gegend kommen, dürfen Sie es auf keinen Fall versäumen, Antonio zu besuchen, den größten jemals in Italien gefundenen Dinosaurier. Der Weg durchquert einen paläontologischen Standort.  Die lange Wanderung geht ihrem Ende zu, aber gerade an ihrem Ende entdecke ich etwas Außergewöhnliches.

Ein wahres künstlerisches und historisches Kleinod inmitten der Natur. Hier in San Giovanni di Duino, in der Nähe der Quellen eines der kürzesten Flüsse Europas, des Timavo, steht das Kirchlein San Giovanni in Tuba. Ich empfehle allen, es sich unbedingt anzusehen (geöffnet donnerstags von 10:00 bis 12:00 Uhr, aber Sie informieren sich besser vorab). Eine Kuriosität: Sollten Sie hier in der Gegend Trompetenklang vernehmen, dann könnte es an der Zeit sein, sich von Freunden und Verwandten zu verabschieden. Sie befinden sich nämlich an einem ganz besonderen Ort des Planeten Erde. Eine Legende besagt, dass am Tag des Gerichts vor der Sintflut gerade hier ein Engel seine Trompete blasen wird. Nur hier und an 3 anderen Orten auf der ganzen Welt.

Müde, aber zufrieden, gehen wir in Richtung Medeazza weiter, wo diese lange Wanderung ihr Ende findet. Es ist beinahe Zeit zum Abendessen und ich bin der Ansicht, dass es keine bessere Art gibt, gebietstypische Produkte zu einem guten Glas Wein des Karsts zu genießen, als in einer Osmiza (http://www.fvglivexperience.it/2017/05/03/osmize-del-carso-alla-scoperta-dei-sapori/). So kann ich mich in fröhlicher Stimmung von meinen Wegbegleitern verabschieden, die am nächsten Tag weitergehen werden (Wie ich sie beneide!). Diese lange Wanderung stellte auch die beiden jungen Filmemacherinnen zufrieden, die um diese Erfahrung reicher sind. Im Grunde ist Wandern auch das.

Mit der Natur im Kontakt stehen, sich müde und glücklich fühlen, in guter Gesellschaft sein und neue Teile der Welt zu entdecken, mit ihren Geschichten und Legenden. Selbst wenn wir glauben, schon alles über die Orte zu wissen, an denen wir leben. Das ist für mich Wandern. Jetzt sehe ich erwartungsvoll der Arbeit von Ludovica und Isabella entgegen. Ich bin mir sicher, dass es für mich noch viel zu lernen gibt und es viele andere Anregungen für Wanderungen in FJV geben wird. Anmerkungen: 28 km; auch für Mountainbikes geeigneter, ebener Weg.
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Michele Castro

Ich heiße Michele, 40, und lebe in Friaul-Julisch Venetien seit ich 19 Jahre alt war. Meine Schichtarbeit ermöglicht es mir, meinen Lieblingshobbys, Wandern und Mountainbikefahren, nachzugehen. Ich werde Ihnen mögliche Naturerlebnisse erzählen, die unsere von den Alpen geschützte und vom Meer geküsste Region zu bieten hat.

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