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4 Januar 2018

Palinsesti 2017: Zeitgenössische Kunst in San Vito al Tagliamento

4 Januar 2018
Anna Maria Ometto

Palinsesti 2017: Zeitgenössische Kunst in San Vito al Tagliamento

Das Festival der zeitgenössischen Kunst in San Vito al Tagliamento in der Umgebung von Pordenone ist bei seiner sechsundzwanzigsten Ausgabe angelangt und eine der langlebigsten Kulturrealitäten, in der Vergangenheit und Zukunft zusammentreffen. Palinsesti 2017 bietet vom 11. November bis 7. Januar 2018 ein reichhaltiges Programm. Dank meiner Schutzengel, Giada Centazzo und Michele Tajariol, besuchte ich zu meiner großen Zufriedenheit die drei Standorte in der Stadtmitte. Dabei atmete ich faszinierende, dissonante Anregungen, die beim Übergang vom konkreten Material auf kreative Idee als Botschaft des Wandels innere Befriedigung in mir geweckt haben. Eine Alternative zum Kaufrausch. Zuerst ging es in die alten Habsburger Gefängnisse Antiche Carceri Asburgiche, die im Napoleonischen Kataster als Wohnstätten registriert sind. Nach Schlössern, Vorhängeschlössern, Sicherheitstüren, niedrigen Decken kommt die Gabbia dei Sogni (Traumkäfig) aus Zinkstahl und Eiche. Intern gut restauriert. Eine niedrige Tür führte in jede Gefangenenzelle, die heute die gut beleuchteten, positionierten und kommentierten Projekte des Premio in Sesto beherbergen. Zweck: Die Öffnung zwischen internationaler Kunst und regionalem Gebiet anzuregen. Erstmalig wurden drei Künstler aus europäischen Partnerstädten von San Vito eingeladen. Das vom Publikum meistgewählte Werk wird realisiert und permanent im Dorf bleiben.

Die Französin Mathilde Caylou stellt durch mundgeblasenes Glas mit Schleifeffekten und metallischen Einschlüssen den Fluss Tagliamento dar. In mir weckte das die Vorstellung einer transparenten, überraschenden Dynamik: das Leben in Entwicklung.

Der Deutsche Kai Richter setzt vergessene Baustoffe zusammen und bildet mit Streben, Querbalken und Beton unmögliche Strukturen. Ein Sprung in meine Kindheit.

Ein sportlicherer Besucher könnte die sphärische weiße Form des Ungarns Peter Szaldy vorziehen, die auch Kohlenstoffmolekülstruktur ist.

In derselben Zelle sind auch die Graffiti der Gefangenen zu sehen. Boote, Lokomotiven, Kirchen; vielleicht Fluchtträume. Was für ein Gefühl, die schmalen Steinstufen hinauf in den ersten Stock zu gehen!

Als nächstes geht es ins Schloss, dieses mächtige Bauwerk im Herzen der Stadt, das schon Sitz des Patriarchats von Aquileia und Wohnstätte der Adelsfamilie Altan war und große Räumlichkeiten bietet. Es bietet dem kollektiven Ausstellungsprojekt Mirabilium Archiva Platz. Ein Transparenzplakat gibt einen Vorgeschmack auf die an die Archivierungsmethode verbundene Verwunderung. Ich bin echt erstaunt, in Harzformen eingelassene Birnen zu sehen, blockiert und ohne Anspruch auf Leben, die aber dennoch, wie durchsichtige Juwelen, filamentöse Formen bilden. Das Werk der schwimmenden Inseln im Honig von Carlo Vidoni weckt in mir das unkontrollierbare Verlangen, die von den eingetauchten Waben freigesetzten süßen Düfte zu erhaschen, die in der Nase noch stark an Wachs erinnern. Ein chaotisches Gewirr aus Wurzeln und Holzzweigen füllt einen Raum im Hauptgeschoß aus und quillt daraus hervor: Trait-d'Union, die Grenze der Leere zu füllen.

Außergewöhnlich das Kunstwerk von Anna Pontel, die den Verlauf des Tagliamento von der Quelle bis zur Mündung mit Wasserentnahmen in Glasflaschen mit Kärtchen des Entnahmeorts sammelte und klassifizierte. Mit den unterschiedlichen Gewässern rührte sie sodann ein Gemisch für Gipsblöcke an, die sich allmählich verändern, wie die Claps, die Flusssteine, wie unsere Identitäten.

Von den Szenen des rauschenden Lärms des Films La memoria dell’acqua (Das Gedächtnis des Wassers) von Daniela Di Maro gefangengenommen, beeindruckt mich das grandiose Bild von Eisbergen und Gletschern, die zerbrechen. Es sind Szenen großer Naturverluste. Die technische Wirkung nutzt menschliche, warme Schriftzüge, die an einen emotionalen Verlust gebunden sind, während die Schneeschmelze in der Natur unerbittlich weitergeht. Auf dem Sand von Rachela Abbate sind die Bewegungen der Planeten in einem für mich unberührbaren Teppich dargestellt, der an die arabischen astronomischen Studien verweist. In der letzten Etage befindet sich die Szene für die Leistung des Künstlers Michele Tajariol, der am 7. Januar 2018 die Trilogia del doppio (Trilogie des Doppelten) mit dem Tanz zweier Tänzerinnen und Ton realisieren wird, ein mechanisches Juwel. Ich hatte das Privileg, von ihm persönlich die Präsentation zu erhalten. Wird es dem Doppel am Ende des ersten Akts gelingen, zu seiner Einzigartigkeit zu finden? Unter der kostbaren Führung meiner Schutzengel geht der Rundgang im Trockner Essicatoio Bozzoli weiter, ein gut restauriertes Erbe der Industriearchäologie, heute mit den Servizi Progetto Giovani geteilt. In der permanenten Sammlung Punto Fermo realisieren einundzwanzig friulanische Künstler das ehrgeizige Projekt, konkrete Spuren im Gebiet zu hinterlassen. Die Suche 2017 konzentriert sich auf die Ausstellung des Meisters Elio Caredda: der Lebenszweck als Konstante, in der geschnittenen Schiene, im Nonsens, in dem was aus dem Meer kommt, in der Aspiration, welch edle Sache. Ich bin dort, um live zu vertiefen. Die von der Region Friaul Julisch Venetien unterstützte Ausstellung bleibt bis zum 7. Januar 2018 geöffnet.

Bezüge: Website www.palinsesti.org

Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag 10.30 – 12.30 Uhr; 15.30 – 19.00

Ufficio Beni e Attività culturali: +39 0434 833295

Punto IAT: +39 0434 80251

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Anna Maria Ometto

Sommelier, Önogastronomin. Vertreterin und Präsidentin des Berufsverbands. Adoptiert in Friaul-Julisch Venetien, wo sie ihre Lehrerausbildung abgeschlossen hat, versucht sie, Familie mit Augenblicken der Gebietsvalorisierung unter einen Hut zu bringen. Sie lebt in der Provinz Pordenone.

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