
Einige nennen das Gebiet „Piana del Preval“ (Preval-Ebene) andere wiederum „Valle del Preval“ (Preval-Tal), aber für mich bzw. für die Einheimischen wie mich ist es schlicht und einfach „das Preval“: eine bukolische Oase mit einem Netz an angenehmen Straßen, wenig befahrenen Feldwegen sowie harmonisch in die Landschaft eingefügten Fußgänger- und Radwegen.
Eine harmonische Abfolge geordnet bebauter Felder, Dauerwiesen und sanfter Hügel mit Wäldern und Weinbergen. Geologisch sind diese Hügel Teil des Görzer Hügellands und oft bezieht man sich auf sie auch mit dem Begriff „Basso Collio“ (Unteres Görzer Hügelland). Aber im Gegensatz zum Görzer Hügelland, ein schon konsolidiertes und bekanntes Ziel für Touristen, wird das Preval selten als ein eigenes homogenes Naturgebiet berücksichtigt, auch wenn es in Wirklichkeit in jeder Hinsicht so eines ist.
Will man dem Preval eine historisch-geologische Definition zuordnen, könnten sich diese so anhören: eine von den sanften Hügeln des Görzer und slowenischen Hügellands umgebene Talmulde, in der der Fluss Versa in der Vergangenheit diese weitläufigen Sümpfe und feuchten Wiesen bildete, von denen in den alten Schriften mit dem ursprünglich deutschen Namen Prevali-Wiesen oder Prewald die Rede war.
In einem dieser Dokumente ist zu lesen: «Die Hügel dieser Talsenke sind zweifellos die fruchtbarsten und die am besten kultivierten; sie werfen vorwiegend diesen so berühmten Wein ab, wie es der Ribolla ist.» In der Tat befinden wir uns in der Anbauzone der großen Weißweine mit DOC-Prädikat, einem historisch dem Weinanbau verschriebenen Land.
Die Preval-Mulde, einst Sitz eines pleistozenen Sees war bis in die Dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts ein vorwiegend sumpfiges Gebiet. Infolge von Bonifizierung büßte die Flora zwar dann einige ihrer typischen Merkmale ein (der historische österreichische Botaniker Eduard Ludvik Pospicha, Autor von Flora des Österreichischen Küstenlandes weist auf die Bedeutung der «subalkalinen Niedermoore mit Glazialrelikten» im Preval-Gebiet hin), gewann jedoch sehr an landwirtschaftlichem und landschaftlichem Wert.
Vom ehemaligen Feuchtgebiet sind in den Gemeinden Cormons, Capriva, Mossa und San Floriano des Görzer Hügellands nur noch einige Wasserspiegel geblieben, die als „Preval-Seen“ bekannt sind und seit 2001 als Gebiet gemeinschaftlicher Bedeutung namens „Palude del Preval“ (Prevalsumpf) anerkannt sind. Auch wenn es sich um ein relativ kleines GGB handelt, ist es etwas Besonderes, da es sich um ein Feuchtgebiet in hügeligem Kontext handelt. Über das Gebiet führen Migrationsrouten verschiedener Vogelsarten, die sich hier gern von den Mühen der Migration ausruhen.
Die Ebene ist ca. 5 km lang, 2 km breit und nimmt ca. 1.400 Hektar Fläche ein. Heute ist es ein Gebiet von hohem naturalistischem und landschaftlichem Wert, in dem die Landwirtschaft in einem hohen Maß zur Erhaltung und Schaffung von Biodiversität beiträgt.
Drei in verschiedenen Gemeinden untergebrachte große Schilder heißen den Besucher willkommen, jedes mit einem anderen Claim und einem anderen Bild, die das Wesen dieser Länder bestens zum Ausdruck bringen:
Willkommen, wo die Natur vorherrscht
Willkommen, wo die Stille vorherrscht
Willkommen, wo die Schönheit vorherrscht
Diese Schilder sind Teil des Projekts zur Fremdenverkehrsförderung und des Gebietsmarketings der Provinz Görz, das vor einem Jahrzehnt ins Leben gerufen wurde und dann gescheitert ist.
Als Naturführerin, Besucherin und Bewohnerin dieser Orte möchte ich auf eben diese drei Willkommensgrüße und deren Hintergrundbilder näher eingehen, denn sie sind die perfekte Interpretation und Synthese dessen, was dieser noch wenig bekannte Zipfel des Görzer Hügellandes dem Besucher zu bieten hat.
Willkommen, wo die Stille vorherrscht
Hier ist als Hintergrund ein scheues Reh abgebildet. Ruhe benötigen wir alle. Wir leben meist im Lärm und in der Hektik, aber wenn wir auch nur kurzzeitig in die Stille der Natur eintauchen, wird uns bewusst, dass die Welt um uns einem Rhythmus folgt, den wir nachahmen und nicht vergessen sollten.
Willkommen, wo die Natur vorherrscht
Hier ist als Hintergrund die Wallfahrtskirche Santa Maria dei Popoli zu sehen. Es ist wichtig, die Mannigfaltigkeit der Natur und der Landschaft erkennen, sehen und interpretieren zu können. Bei jedem Spaziergang in der Natur können wir sehr viel mehr finden als wir suchen, wenn wir nur lernen, auch mit dem Herzen zu sehen und nicht nur mit den Augen. Die Kirche San Marco in Preval, heute Santa Maria Regina dei Popoli, steht mitten in der Ebene und war im Laufe der Geschichte stets religiöser Bezugspunkt für die Orte des Görzer Hügellands und seit dem Mittelalter zudem auch ein wichtiger Marienwallfahrtsort.
Willkommen, wo die Schönheit vorherrscht
Hier ist im Hintergrund ein eleganter weißer Reiher zu sehen, der auch im Symbol und Logo des Preval-Gebiets zu finden ist. In allen Aspekten der Natur gibt es etwas wunderbar Schönes, auch an weniger bekannten Orten, aber nicht immer nehmen wir uns die Zeit, um deren Wert und Schönheit zu erfassen.
Und das ist der Grund, warum Natur, Ruhe und Schönheit der fernab vom Massentourismus liegenden Orte perfekt sind, um dieses Land zu erzählen, das im Hinblick auf Umwelt und Anthropologie eine aufregende Geschichte hinter sich hat. Eine Vergangenheit reich an Kuriositäten, Erinnerungen und leider verlorenen Landschaftselementen, die heute oft nur noch in Dokumenten belegt sind, wie beispielweise vier Wassermühlen längs des Versa, Mosaikböden, Pfahlbaureste und alte Anlegestellen für kleine Boote.
Das kann uns sehr viel über dieses antike Sumpfland erzählen, das aufgrund seines besonderen Klimas Lebensraum von Pflanzen war, die infolge der Bonifizierung verschwunden sind. Darunter verschiedene Arten an Orchideen und fleischfressenden Pflanzen, die gewöhnlich in Berggegenden verbreitet sind, aber hier dank des besonderen Mikroklimas der Talmulde gedeihen konnten.
Eine angenehme Landschaft und ideal für alle, die sich dem langsamen Tourismus hingeben wollen. Ein sanftes Auf und Ab auf für das Trekking, Radausflüge, Ausritte mit Pferden oder Eseln ausgerüsteten Wegen. Die Ebene verfügt über ein vor Jahren von der Provinz Görz im Rahmen des Projekts „Slow Collio: un paesaggio da bere" ausgebautes Wander- und Fahrradwegenetz, das auch an den schon vorbestehenden Fahrradweg Collio FVG3 und die bekannte „Strada del Vino“ anschließt.
In den verschiedenen Gemeinden und an den diversen Routen gibt es gut beschilderte Rastplätze für Wohnmobile und Picknickbereiche mit Tischen, Bänken und Fahrradständern. Der Bergweg ist etwas schwieriger, der Talweg im Herzen der Ebene und der Weg, der durch die Dörfer und Orte mit vereinzelt Bauernhäusern aus Stein und ihren typischen Innenhöfen führt, sind oft reich an Objekte, die auf antike Handwerke und Lebensstile des Landlebens verweisen.
Das ist mein geliebtes Preval. Es schenkt mir bei jedem Spaziergang neue, kleine Emotionen wie den Flug von Kranichen und Gänsen, die sich mit ihren Lockrufen ankündigen, scheue Blicke von Rehen, die über die Felder und Weinberge huschen, das elegante und langsame Schreiten von Fisch- und Seidenreihern in den Wiesen, lange Hasenohren, die sich bis zu den Gärten der ersten Häuser vorwagen und nicht zuletzt die Lebhaftigkeit von Eichhörnchen, die mir plötzlich über den Weg laufen, während ich gerade die Hügelwälder betrete.
Für mich kommt das alles einem völligen Eintauchen in das Landleben gleich, wo Weinberge glücklicherweise noch ein ergreifendes Zusammenspiel von Biodiversität sind. Bussarde, Eichelhäher, Wiedehopfe sitzen müßig auf den Pfählen, beinahe um ihr Gebiet vor eventuellen Eindringlingen verteidigen zu wollen, während die Sonne bunte Wildblumen zwischen den Rebzeilen beleuchtet, die von Pestiziden verschont geblieben sind. Gegen Abend laden mich leuchtende Sonnenuntergänge zu einem letzten Spaziergang in Begleitung des Gesangs verschiedener Landvögel ein.
Glücklicherweise ist in diesem Zipfel des Görzer Hügellands die Beziehung zwischen Mensch und Land noch echt, im Bewusstsein, dass hinter jedem großartigen Wein vor der naturkundlichen in erster Linie eine historische und kulturelle Landschaft steht. So schreibt Emilio Rigatti in seinem Buch „Gli alchimisti delle colline“ (Die Alchimisten der Hügel): «Wer diese Seiten lesen wird, tut gut daran, einige Tage in diesem Stück Land zu verweilen, das in seinem landwirtschaftlichen Teil ruhige Schönheit ausstrahlt […]. Dabei wende ich mich vor allem an Wanderer und Radfahrer, denn Füße und Pedale sind am geeignetsten, um das Preval in vollen Zügen zu genießen.»
Mein Preval ist Grenzland, das nun ohne Grenzen und Zoll genossen werden kann und das alle Voraussetzungen erfüllen würde, zum Ziel eines Tourismus zu werden, der das Erlebnis und die Nachhaltigkeit mit der Aufnahme nicht nur vonseiten von Reiseveranstaltern, sondern auch von der lokalen Gemeinschaft, der wahren Seele des Ortes, verbinden sollte.
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