Während die wichtigsten europäischen Staaten ihre Kriegserklärungen bekannt gaben, hielt sich Italien am Rand des entstehenden Konflikts und verkündete am 3. August seine Neutralität, obwohl es 1882 den Dreibund (Triplice Alleanza) mit Deutschland und Österreich-Ungarn unterzeichnet hatte. Die Regierung Salandra nutzte den Leitsatz aus, dass der Eingriff an der Seite eines der beiden Staaten nur aus Verteidigungsgründen erforderlich geworden wäre.
In Wirklichkeit beruhte der Beschluss, nicht von Beginn an am Krieg teilzunehmen, auf verschiedenen Faktoren. In erster Linie spielte Italien auf dem Schachbrett der Welt aufgrund der wirtschaftlichen Rückständigkeit nur eine Randrolle. Die Hälfte der Bevölkerung arbeitete in der Landwirtschaft, 40% waren Analphabeten und die Industrialisierung hatte sich erst seit wenigen Jahren und nur in einigen Gegenden im Norden entwickelt.
In zweiter Linie wurde der Beschluss, nicht sofort in den Krieg zu ziehen, auch von der Lage bestimmt, in der sich die italienische Armee befand. Der neue Generalstabschef, der General Luigi Cadorna, beklagte von Beginn an das Fehlen von Winterausrüstungen, Handgranaten, Transportmittel, Maschinengewehren und Feldartillerie an. Genauso wichtig war der Mangel an Offizieren, die rekrutiert und in den Militärakademien ausgebildet werden mussten.
Die Neutralität hätte der Regierung aber vor allem erlaubt, inoffizielle Verhandlungen mit den anderen Staaten (auch mit denen zur Entente (Intesa) gehörenden) aufzunehmen. Die Entwicklung des Konflikts abzuwarten und sich auf dessen Seite zu stellen, der größere Vorteile garantierte, war ein nicht unerheblicher Vorteil. Auf diese Weise konnte Italien einige nicht unbedeutende Gebietsforderungen, wie das Trentino und Julisch Venetien (Venezia Giulia) (einschließlich der Stadt Triest), die in jener Zeit zu Österreich-Ungarn gehörten, vorbringen.
Die am 3. August 1914 erfolgte Ankündigung wurde von der Mehrheit der Bevölkerung positiv aufgenommen. Die Landbevölkerung hielt den Krieg generell für ein Unglück, da die Wehrpflicht wichtige Arbeitskräfte von den Feldern geholt hätte. Es bestand ferner der Einfluss sowohl der sozialistischen Bewegung, die sich zum Großteil um die pazifistischen und internationalistischen Werte scharte, als auch der katholischen Welt, die sich auf die Beschlüsse der Politiker (die auch weitgehend für die Neutralität waren) verließ.