In den Natisone-Tälern auf Entdeckungsreise zu der jahrhundertealten Kastanie von Canalaz: 10 x 16 Meter
Roby hatte es mir gesagt. "Da gibt es eine riesige Kastanie, die du nicht kennst", sagte er und wenige Tage später erhielt ich eine E-Mail mit allen Daten, um sie zu finden. Sie war von Daniel. "Jahrhundertealte Kastanie von Canalaz: nach Grimacco (UD) kommst du über die SP 45 des Val Cosizza (Cividale del Friuli – San Leonardo – Grimacco).
In der Ortschaft Liessa biegst du nach der Brücke über die Cosizza rechts ab, so dass die Kirche auf der linken Seite bleibt, fährst an dieser vorbei und folgst den Ausschilderungen zum Bergpass San Martino auf der Linken. Nach drei bis vier Kilometern erreichst du die Ortschaft Canalaz. Ab hier findest du weitere Ausschilderungen." In der Mail von Daniel befand sich auch ein Foto. Als ich es gesehen haben, dachte ich: "Da muss ich sofort hin".
Zwei Tage später, als ich ein paar Stunden Zeit hatte, habe ich mich aufs Motorrad gesetzt und bin losgefahren.
Die Straße zu den Natisone-Tälern war an diesem lauen Herbsttag wunderschön. Schön waren auch die Kurven hinauf zum Bergpass San Martino. Ich habe sie fast sofort gefunden. Sie ist unglaublich groß.
Vielleicht waren es einst zwei Stämme, die in einer ewigen Umarmung miteinander verschmolzen sind oder ein einziger Stamm, der vor langer Zeit von einem Blitz geteilt wurde.
Ich bin darauf geklettert. Über die Knoten, die im Laufe der Jahre auf dem alten Stamm gewachsen sind, bis dorthin, wo ein Sturm sie vor Jahrzehnten gespalten hat. Die Baumkrone war robust nachgewachsen und brachte neue Kastanien hervor, doch auf dem Stamm hatte ein langsamer Verfallsprozess eingesetzt. Für eine Kastanie mit einem Alter von fast vier Jahrhunderten und einem Stamm mit einem Umfang von mindestens neun Metern ist das jedoch praktisch normal.
Nachdem ich wieder heruntergeklettert war, habe ich sie mir erst genau angesehen und dann vermessen. Umfang 9,41 Meter, Höhe 16,40 Meter. Der größte Baum von Friaul-Julisch Venetien und noch nicht unter die Baumdenkmäler aufgenommen. Da muss man etwas tun, habe ich mir gesagt. Und nach einem letzten Gruß an den imposanten Stamm, bin ich losgefahren.
Ich bin noch bis zum Gipfel des Monte San Martino weitergefahren und dabei mit dem Motorrad über die Steine des alten Saumpfads geholpert. Der Wald in seinen winterlichen Farben diente als Tunnel. Ab einem bestimmten Punkt ging es mit dem Motorrad nicht mehr weiter aufwärts und ich bin zu Fuß weitergegangen. In der frischen Herbststille begann sich der Wald langsam zu lichten.
Der Nebel der Dämmerung gab mir zu verstehen, dass es besser war heimzukehren. Bei der Abfahrt nach Dolegna habe ich kurz gehalten, um die Forra del Rieca zu bewundern, einen von einem Strom ausgehöhlten kleinen Canyon, der einen Blick wert ist. Dann habe ich den Weg nach Hause genommen und mich mit meiner röhrenden Begleiterin sanft in die waldigen Kurven der Täler gelegt.
Ich suche die ältesten, größten, erhabensten und geheimnisvollsten Bäume unseres Planeten, besteige sie, vermesse sie und verteidige sie. Ich liebe es, unsere Wälder und unsere herrliche Natur auszuleben.