Bei einem Spaziergang auf der Vajont-Staumauer kommt Gänsehaut auf, nicht nur wegen seiner 264 Meter, die 1959, Jahr seiner Errichtung, einen Weltrekord darstellten, sondern vor allem, weil es sich bei ihr um ein wahres „Denkmal der Erinnerung“ handelt.
Das Szenarium ist das des Vajont-Tals, an der Grenze zwischen Venetien und Friaul-Julisch-Venetien. Die Protagonisten sind der Monte Toc und der Vajont, einer der Wasserläufe, die den Stausee speisen und zu dessen Funktionieren beitragen hätten sollen.
„Hätten sollen“, weil wir ja bereits wissen, wie es ausgegangen ist.
Die Sorgen der lokalen Bevölkerung waren nicht erhört worden und die Baufirma Sade hatte die Arbeiten und die anschließende Füllung ungeachtet der Warnsignale und der drohenden Gefahr fortgesetzt.
Bis zum schicksalhaften Abend des 9. Oktober 1963, als sich ein riesiger Erdrutsch vom Monte Toc löste.
Der Aufschlag des Erdrutsches auf den See führte zur Bildung einer über 70 Meter hohen Sturzwelle, die die Vorörter des Dorfes Erto wegfegte und Casso streifte, dann über den Damm auf das darunter liegende Longarone stürzte und beinahe 2000 Menschen in den Tod riss.
Trotz des enormen Erdrutsches, der Gewalt des Wassers und der immensen Luftbewegung ist der Damm nahezu intakt geblieben. Mit Ausnahme des Teils, in dem sich damals der Kontrollraum befand, der komplett weggefegt wurde, ist dieses große Wasserbauwerk mit seiner doppelten Bogenform und privilegierten Lage über dem Fluss Piave und dem Dorf Longarone nach 50 Jahren immer noch beeindruckend.
Die Vajont-Staumauer ist seit ca. 20 Jahren ein der Öffentlichkeit zugänglicher besichtigbarer Ort, der derzeit von der Körperschaft Naturpark der Friauler Dolomitenverwaltet wird. Jährlich besuchen ihn mehr als 100.000 Besucher.
Es gibt zwei Routen: Eine kurze, 40-minütige und eine längere, die ca. 3 Stunden in Anspruch nimmt.
In beiden Fällen kann man sich Führer anvertrauen, die sich „informatori della memoria” (Referenten der Erinnerung) bezeichnen und freiwillig tätig sind. Sie erzählen die Geschichte des Tals, seiner Gemeinde und des Projekts eines Staudamms, das es traurigerweise berühmt gemacht hat.
Vom Dorf Casso kann man sich ein Bild vom Ausmaß der Katastrophe machen, denn man hat einen besseren Überblick und kann die Überreste des Monte Toc sehen.
Es lohnt sich auch, in den Besucherzentren von Erto, Casso und Longarone Halt zu machen, wo bedeutsame alte Fotografien und Funde von nach der Katastrophe ausgestellt sind.
Ich bin das, was man einen Slow-Touristen nennt, mit gebuckeltem Rucksack und griffbereiter Landkarte. Ich liebe Kino und alte Filme. Ich sammle Fotos und außergewöhnliche Geschichten von gewöhnlichen Leuten. Friaul ist für mich ein Mix an Flachland, Meer und Gebirge, wo ganz spezielle Orte nicht weit von zu Hause entfernt sind.