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16 November 2017

Cammino Celeste, sportlich

16 November 2017
Andrea Goat

Cammino Celeste, sportlich

Auch wenn ich seit jeher in Aquileia lebe, erfuhr ich erst vor Kurzem, dass es schon seit 10 Jahren einen Weg gibt, den Cammino Celeste oder Iter Aquileiense, der von hier, an der Wallfahrtskirche Castelmonte vorbei bis zur Wallfahrtskirche am Luschariberg führt. Ich recherchiere kurz und finde das Buch der Begründer, die ihn dann auch begangen haben. Nachstehend ein paar Sätze daraus: „Der Cammino Celeste ist ein auf Initiative einer Gruppe Pilger des Circolo Culturale Navarca in Aiello del Friuli entstandener Pilgerweg.“… – „Markus der Evangelist kam vom Meer, so erzählt die Legende, und am Meer beginnt der Weg.“ – „Jede Etappe ist eine Art Wirbel. Das Begehen des Wegs ist wie das Bilden einer kleinen Wirbelsäule Friaul Julisch Venetiens.“ (aus dem Führer „Il Cammino Celeste“ herausgegeben von Ediciclo).

Die Worte eines der Wegbegründers während einer Begegnung zur Feier des zehnjährigen Bestehens des Weges: „Es ist unbedeutend, wie Sie den Cammino Celeste angehen wollen, als Pilger oder als Laizist, für Sie selbst oder für andere oder aus jedem anderen Grund, seien Sie sich aber bewusst, dass er ihr Leben verändern wird.“, haben in mir, der ich stets auf der Suche nach Abenteuer, Sport und Ausflügen in der Natur bin, den Wunsch geweckt, diese neue Erfahrung zu machen. Und so begann ich, mich zu erkundigen und mich in Erwartung der schönen Jahreszeit auf den Cammino vorzubereiten. Ich lese, dass viele die Wallfahrtskirche Beata Vergine auf Barbana als Ausgangspunkt wählen und von dort mit einem Boot auf das Festland übersetzen, um sodann die verschiedenen Etappen zu Fuß in Angriff zu nehmen.

Der Weg ist mit einem kleinen, stilisierten Fisch markiert. Es gibt verschiedene Rastpunkte und die Pilgerfahrt nimmt insgesamt ca. 10 Tage in Anspruch. Dem Pilger eröffnen sich einzigartige und wunderschöne Orte Friaul Julisch Venetiens. So viel Zeit hatte ich aber nicht zur Verfügung, weshalb ich mir etwas einfallen lassen musste, um den Weg auf eine zeitsparendere Art und Weise anzugehen und trotzdem meinem Abenteuer- und Sportdrang nachzukommen.

So stellte sich mir die erste Frage: Wie komme ich sportsmäßig von Barbana auf das Festland? In der Lagune zu schwimmen, war angesichts meiner Kondition nicht gerade eine gute Idee, deshalb blieb mir nur die Möglichkeit, mit einem Ruderboot oder etwas Ähnlichem überzusetzen. Im Gespräch mit einer Gruppe Freunde tauchte plötzlich das Zauberwort Kajak auf und so beschloss ich, mich für diese erste Phase ihnen anzuvertrauen, die diesen Sport ausüben. Nun stellte sich die nächste Frage: Wie kann ich den Weg schneller zurücklegen? Das war schon einfacher zu beantworten und ich entschied mich für das Mountainbike, weil die Route teils asphaltiert ist und teils auf Feldwegen verläuft. Aber nicht die gesamte Strecke ist für das Fahrrad geeignet, die letzte Etappe kann nur zu Fuß zurückgelegt werden.

Ich hole sowohl auf der Webseite als auch auf dem Blog des Cammino Celeste Informationen ein, lese Erfahrungen jener, die ihn bereits begangen haben und lade die GPS-Route auf mein Smartphone. Nach eingehendem Studieren des Gebiets auf eigenen Landkarten und das Planen der Tage und der Etappen gelingt es mir, drei Tage zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten ausfindig zu machen. So werde ich die ersten zwei Tage im Kajak, mit dem Fahrrad und zu Fuß unterwegs sein und am dritten Tag hingegen nur zu Fuß. Es ist also alles fertig und die Aufregung vor dem Start steigt!

Der Wecker klingelt bei Sonnenaufgang. Ich bereite mich vor und treffe mich mit den Freunden des Amateursportvereins CKF im Belvedere, um mit dem Kajak auf Barbana überzusetzen. Dort angelangt machen wir ein paar Fotos und das Abenteuer kann beginnen. Das Paddeln zu so früher Stunde in der Lagune ist für mich eine ganz neue Erfahrung und der Kontakt mit der erwachenden Natur ist wirklich aufregend. In einer entspannenden Stille schenkt sie uns einzigartige Einblicke. Ich glaube, Kajaken kommt auf die Liste meiner sportlichen Betätigungen.

Wir brauchen nicht lange und sind wieder am Strand vor der Insel, von dem wir ablegten. Wieder an Land und umgezogen radle ich längs des Alpe-Adria-Radwegs bis zur Basilika von Aquileia, wo ich mich zehn Minuten ausruhe. Ich setze mich neben die Basilika, trinke einen guten Kaffee und esse die Kekse des Cammino Celeste. Alles ausgezeichnet. Ich hoffe, dass dieser kleine Ritus auch Glück bringt.

Mit gebuckeltem Rucksack und festgeschnalltem Helm geht es weiter. In kürzester Zeit erreiche ich Aiello del Friuli, wo mich von den Häusern unzählige Sonnenuhren anlachen. Ich weiß nicht warum, aber eine, die einen Schützen darstellt, zieht mich ganz besonders an. Es geht weiter. Jetzt bin ich in Medea und fahre auf den Hügel, auf dem 1951 im Gedenken an die Toten aller Kriege das Denkmal Ara Pacis Mundi errichtet wurde. Dann kommen wir nach Cormons und somit sind wir im Collio, dem Görzer Hügelland, in dem ausgezeichnete Weine erzeugt werden. Hier geht die Ebene in Hügelland über. Wälder, unbefestigte Straßen und einfache Wege begleiten mich bis Castelmonte, wo ich zufällig vom Glockengeläut der Wallfahrtskirche empfangen werde, die seit 1175 Ort der Verehrung der Marienstatue ist.

Ich esse eine Kleinigkeit, fülle meinen Wasservorrat auf und schon ist es an der Zeit, nach Cividale del Friuli hinabzufahren, dieses von den Römern im ersten Jahrhundert vor Christus errichtete Städtchen. Ich fahre auf der Teufelsbrücke über den Natisone und durchquere die geschichtsträchtige Stadt mit dem Fahrrad an meiner Seite. Geschichte und Häuser lassen Wiesen, Wald und Straßen Platz, die schließlich auf immer steilere Wege übergehen und wo es mit dem Rad nicht immer einfach ist. Manchmal muss ich meinen treuen Wegbegleiter schieben. Jetzt sind wir allein, ich, mein Fahrrad und die uns umgebende Natur, eine hier noch unberührte Natur. Unbeschreiblich schön! Die Sonne ist beim Untergehen. Ich schalte die Leuchten am Fahrrad und am Helm ein. Eine neue Welt eröffnet sich mir: Dunkelheit, Ruhe, Natur und Einsamkeit. Die Zeit vergeht, aber der Tag ist noch nicht zu Ende und es beginnt leicht zu regnen. In der Ferne sehe ich Lichter, vielleicht ein Haus? Beim Routenplanen ist mir dieser Bau in der Nähe des Orts Canebola in der Gemeinde Faedis entgangen.

Aber das Haus ist kein Haus, sondern ein Agriturismo. Es ist spät, aber anscheinend ist noch jemand da. Ich stelle das Fahrrad ab, trete ein und wechsle ein paar Worte mit der Betreiberin, um Auskünfte über den Weg zu erhalten, weil ich diese Zone nicht gut kenne. Bei den Wörtern Erdrutsch und Bär nehme ich sehr gerne ihr gastfreundliches Angebot an. Die Nacht in Erwartung des Sonnenaufgangs dort im Warmen und Trockenen zu verbringen und mich einige Stunden auszuruhen, war sicher eine gute Idee. Ich schlafe sofort ein und nur wenige Augenblicke später, so scheint es zumindest, höre ich den Wecker. Die Sonne geht auf und ich nehme den letzten Abschnitt dieser Etappe in Angriff. Das Fahrrad wartet auf mich. Ich radle, sehe unter mir Asphalt und Weg, ich gehe und schiebe, ich komme am Erdrutsch vorbei und komme nach Prossenicco, wo noch alle schlafen. Ich fahre einen Wildbach entlang und tauche in eine herrliche Landschaft ein. Noch ein paarmal in die Pedale treten und ich bin in Montemaggiore, einem Dorf an den Hängen des gleichnamigen Bergs, der Teil der Gebirgskette Gran Monte der Julischen Voralpen ist. Hier finde ich eine offene Bar, in der ich einen wohlverdienten und sehr guten Espresso trinke.

Ich ziehe mich um und nach 105 zurückgelegten Kilometern lasse ich das Fahrrad in diesem Dorf zurück. Erst einmal aus dem Dorf nehme ich einen Weg, der in 790 Metern Höhe beginnt und mich flugs auf 1600 Meter Höhe bringt. Dann führt er durch Wälder zum Tanamea-Pass hinab, wo in tiefen und einzigartigen Schluchten in seiner ganzen Schönheit der Rio Bianco fließt. Ich fülle meine Wasserflaschen mit seinem kühlen Wasser und esse etwas auf seinen Felsblöcken unter den hohen Bögen der darüber führenden Straße. Ich nehme meinen Weg wieder auf und erreiche eine Casera, einen unbewirtschafteten Unterstand. Nach Überqueren eines weiteren Berggipfels steige ich zum Pass Sella Carnizza ab und komme an den pittoresken, und unerwartet lebendigen Stavoli Gnivizza vorbei. Die Zeit vergeht und bis jetzt hat mir alles großen Spaß bereitet, aber ich muss mich beeilen, um bald nach Prato di Resia zu kommen, wo man mich erwartet, um dann mein Fahrrad zu holen und mich nach Hause zurückzubringen. Wenn ich mich also bis jetzt am Cammino Celeste inspiriert habe und einige Abweichungen von ihm gemacht habe, ziehe ich es nun vor, ihm genau zu folgen. Ich laufe die einfache, asphaltierte und gewundene Straße entlang, die mich schnell ins Dorf führt. Das ist das Ende meiner ersten Etappe. Insgesamt habe ich in 36 Stunden 140 unendlich emotionsreiche Kilometer zurückgelegt.

Wieder zu Hause und in Erwartung, diesen Ausflug weiterzuführen, ordne ich meine Gedanken und verfolge den Weg zurück, um die letzte Etappe bestmöglich vorbereiten zu können, aber schon ertappe ich mich dabei, zu überlegen, wie ich den ersten Abschnitt ein anderes Mal etwas mehr mit dem Fahrrad bewältigen könnte. Ich erzähle einigen meiner Freunden von dieser neuen Erfahrung und überrede drei davon, mit mir den Iter Aquileiense von Prato di Resia bis zum Luschariberg zu Ende zu gehen.

Endlich kommt der Tag des letzten Abschnitts und ich oder besser gesagt wir brechen auf. Wir erreichen schon früh das schöne Resiatal, bereiten uns vor, machen ein paar Fotos und los geht’s! Ausgangspunkt ist das Besucherzentrum Resias im Naturpark der Julischen Voralpen. Nach einigen Metern auf der asphaltierten Straße schlagen wir sofort einen Weg ein. Wir gehen ohne besondere Anstrengung durch den Wald zur Kapelle Sant’Antonio hinauf, die sich ganz oben dieses ersten Abschnitts befindet. Glücklicherweise ist es ein wunderschöner Sonnentag, aber die Hitze beginnt uns zuzusetzen. Bei einem nahen Brunnen füllen wir unsere Wasservorräte auf. Nach Füllen der Wasserflaschen gehen wir durch eine suggestive Landschaft zu einem kleinen Wildbach hinab. Etwas später beginnt der Wald, sich zu lichten und am Ende des Tals sehen wir Chiusaforte.

Wir kommen in die Dorfmitte und begeben uns von dort zum Alpe-Adria-Radweg, der entlang der alten Bahntrasse verläuft. Die Steigung ist leicht und deshalb laufen wir die ganze Strecke bis Dogna. Es sind nur wenige Kilometer, umfassen jedoch diverse suggestive Landschaften. Wir laufen durch Tunnels, durch die vor einigen Jahren noch Züge fuhren, überqueren eine herrliche Eisenbrücke und kommen an einem nur vom Radweg aus sichtbaren Wasserfall vorbei. Kurz nach dem ehemaligen Bahnhof von Dogna biegen wir links auf die Straße ein, die in das Val Dogna und hinauf bis zu einer Schutzhütte in der Nähe des Passes Sella di Sompdogna führt. Wir folgen der asphaltierten Straße, kommen bei mehreren Dörfern wie Roncheschin, Chiut und Mincigos vorbei, alles kleine Realitäten, die zahlreiche Zeugnisse des Ersten Weltkriegs umfassen, wie die Brücke über den Rio Mas, Überreste der Haubitzenstellung und der monumentalen Seilbahn von Chiut, bis hin zum Schützengrabensystem der Verteidigungslinien „dei Plans“. Die Straße selbst ist an verschiedenen Stellen Zeugin dieser Zeit. Wir schlagen nun den Weg ein, der zum „Laghetto“ (dt.: kleinen See) führt, von dem nur noch der Name charakteristisch ist.

Von dort sind wir bald bei der Schutzhütte. Entspannt essen und trinken wir etwas mit Blick auf unser nächstes Ziel, den Luschariberg. Die dortige Glocke erinnert uns mit ihrem Geläut daran, dass die Rast zu Ende ist und somit gehen wir in das Saisera-Tal hinab. Entlang dem Wildbach Saisera kommen wir zum Agriturismo Prati Oitzinger, wo wir den ansteigenden Schotterweg einschlagen, der uns beim Aufsteigen einen herrlichen Ausblick auf das Saisera-Tal gewährt. Beim Gehen in Gesellschaft machen sich die Müdigkeit und der lange Weg weniger bemerkbar und auch wenn einige Stunden vergangen sind, scheint es uns wie nur wenige Augenblicke und schon sind wir im pittoresken Dorf, bei der Wallfahrtstätte und am Gipfel des Luscharibergs. Von hier haben wir einen herrlichen Rundblick auf das Tal des Tarviser Gebiet, das weiter unten liegende Dorf Camporosso, auf die umliegenden Anhöhen, die Gruppe des Mangart und des Montasch. Wir befinden uns am östlichsten Punkt der Alpen, seit jeher Grenze und Treffpunkt dreier Völker, dem latinischen, dem germanischen und dem slawischen, deren Menschen auf den Gipfel pilgern, um die Statue von Maria mit Kind in der Wallfahrtskirche anzubeten. Einer antiken Legende nach geht ihr Bau nach einer Reihe wundersamer Fakten betreffend das Auffinden der Statue auf 1360 n. Chr. zurück. Normalerweise geht man durch den Tarviser Wald den suggestiven Sentiero del Pellegrino (Pilgerweg) zur Wallfahrtskirche hinauf, wir hingegen benutzen ihn zum Hinabgehen. Tatsächlich sind wir die einzigen, die ihn in entgegengesetzter Richtung bis zum Denkmal des Cammino Celeste begehen. Es ist das vierte Denkmal nach dem der Wallfahrtsstätten von Barbana, Castelmonte und dem Luschariberg.

Das Gehen bestätigt sich als die beste Weise der Fortbewegung. Es ermöglicht Ihnen, die Umgebung voll auszukosten, schenkt einzigartige Eindrücke und Details, die Ihnen nur so zuteilwerden können. Nur das langsame Vorbeiziehen von Zeit und Raum ermöglicht es Ihnen, sich zu entspannen, die Gedanken vorauszuschicken und wirklich wahrzunehmen, was Sie umgibt, alles Dinge, die Sie vom Auto aus nicht einmal erahnen.

Der Cammino Celeste war ein wunderschöner Ausflug. Vom Meer bis zum Gebirge legte ich insgesamt ca. 180 km in Friaul Julisch Venetien zurück und überwand ca. 7.000 Meter Höhenunterschied. Zuerst allein und dann in Gesellschaft, aber immer in herrlichen, in ihrer Art einzigartigen Landschaften, die sich für immer in mein Gedächtnis und mein Herz einprägten. Ich fühle schon jetzt Sehnsucht.

Also, auf den nächsten Weg!

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Andrea Goat

Ich liebe das Laufen, die Natur, die Berge, die frische Luft und das Abenteuer. Die wichtigste Begleiterin bei meinen Exkursionen ist die Region Friaul-Julisch Venetien, wo ich direkt vor meiner Haustür eine unglaubliche Vielfalt einzigartiger, wunderschöner und unberührter Landschaften finde, vom Karst über die Karnischen Alpen bis hin zu den Julischen Alpen.
 

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